GN 20.02.2017      
         
 

Stirbt Plattdeutsch bald aus?

Beauftragte der Emsländischen Landschaft im Interview


Linda Wilken ist seit 2016 Plattdeutschbeauftragte der Emsländischen Landschaft.
Foto: Tobias Böckermann

Die Plattdeutschbeauftragte der Emsländischen Landschaft, Linda Wilken, spricht im Interview über die Zukunft der Sprache und schlechtes Platt. Anlass ist der Internationale Tag der Muttersprache der Unesco, der gestern begangen wurde und der die Sprachvielfalt fördern will.
Von Johanna Lügermann

Welche Rolle spielt die plattdeutsche Sprache im Emsland und der Grafschaft Bentheim?

Es wird vor allem in den klei­nen Gemeinden gepflegt. Platt wird hierzulande immer noch viel gesprochen. Bei den unter 50-Jährigen gibt es aber einen Knick. Deshalb müssen wir die Sprache auch an jüngere Menschen herantragen, denn sie ist ein wichtiger Teil unserer regio­nalen Identität und stiftet Gemeinschaft.

Haben junge Menschen denn Interesse an der Sprache?


Früher galt Plattdeutsch als Alte-Leute-Sprache und uncool, das ist inzwischen anders. Dafür wurden in den letzten Jahren viele Aktionen ins Leben gerufen, die das Image des Plattdeutschen entstaubt haben. Zu nennen wäre da die Arbeitsgruppe „Platt is cool“, an der die Emsländische Landschaft beteiligt ist. Diese Arbeitsgruppe veranstaltet zum Beispiel den jährlich stattfindenden plattdeutschen Bandcontest „Plattsounds“. Darüber hinaus steigt das Interesse für Plattdeutsch an Schulen und Kindergärten, weil Mehrsprachigkeit heute zu den absoluten Schlüsselkompetenzen zählt. Der Spaß und die Motivation, die Kinder beim Lernen zeigen, stimmen mich hoffnungsvoll.

Wie viele Menschen sprechen Plattdeutsch?


Das Institut für Niederdeut­sche Sprache in Bremen hat vor Kurzem eine Umfrage zu Status und Gebrauch des Niederdeutschen veröffentlicht. Dafür wurden 1600 Leute in den neun Bundesländern befragt, in denen Plattdeutsch gesprochen wird. 91 Prozent der Menschen haben angegeben, Plattdeutsch zu verstehen, 50 Prozent sogar gut oder sehr gut. In Niedersachsen lag der Wert bei 48 Prozent. Allerdings muss man sagen, dass die Zahl der Leute, die Plattdeutsch sprechen, deutlich geringer ist: 42 Prozent haben gesagt, sie sprechen gar kein Plattdeutsch, 25 Prozent einige Worte, und nur 15 Prozent sprechen gut oder sehr gut Plattdeutsch. Dabei ist der Anteil älterer Menschen deutlich höher.

Lässt sich daraus schließen, dass die Sprache bald ausstirbt?

Das ist zu weit gegriffen. Natürlich muss man schon was dafür tun, aber es hat sich ge­zeigt, dass sich die Zahl der Sprecher seit 2007 stabilisiert hat. Auch wenn die Zahl gering ist, gibt es keinen Rücklauf mehr. Wir sollten gerade bei Kindern und Jugendlichen ansetzen, damit das so bleibt. Trotzdem lässt sich wohl nicht verhindern, dass sich die Sprache auf Dauer verändern wird und viele Ausdrücke verschwinden werden.

Gibt es denn noch Kinder, die Plattdeutsch sprechen?


Es wachsen immer noch Kin­der mit Plattdeutsch auf und können Platt verstehen, sprechen es aber nicht oder kaum. Dabei haben viele Kinder Platt bis vor wenigen Jahrzehnten noch als Erstsprache gelernt. In den 1950er- und 1960er-Jahren fand in den Familien aber ein Sprachwechsel statt. Platt wurde als Alltagssprache durch Hochdeutsch ersetzt. Auch in den Schulen wurde es nicht gern gesehen, wenn die Kinder Plattdeutsch sprachen. Damals galt die Meinung, dass plattdeutsch aufgewachsene Kinder Nachteile in der Ausbildung hätten. Doch das Gegenteil ist der Fall: Inzwischen ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder, die frühzeitig an eine regionale Sprache herangeführt werden, leichter Fremdsprachen lernen.

Ist das alte Bild von der Sprache noch in der Gesellschaft verbreitet?

Es findet ein Umdenken statt. 1999 wurde Niederdeutsch in die Charta der Minderheitensprachen aufgenommen. Ich bin der Meinung, dass Schulen stärker in die Pflicht genommen werden müssen. Auch wenn die Sprache vor allem in den Familien gepflegt werden muss.

Ist Plattdeutsch in Schulen ein Thema?


Die Landesschulbehörde er­nennt Berater, bei denen man sich über Materialien und didaktische Methoden der Sprachvermittlung informieren kann. Die Beraterin für Schulen im Emsland und der Grafschaft Bentheim ist Gabriele Plümer-Stevens, die man gerne über uns kontaktieren kann. Beim Studienseminar in Nordhorn haben Referendare außerdem die Möglichkeit, Zertifikate zur Vermittlung des Plattdeutschen zu erwerben. Auch die Emsländische Landschaft bietet Schulmaterialien und Fortbildungen wie den Schoolmesterdag an, der jedes Jahr stattfindet. Wir arbeiten mit vielen Schulen im Emsland zusammen, die mit ganz viel Engagement und Freude bei der Sache sind. Wir unterstützen Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter dabei, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

Was raten Sie Menschen, die ihre Plattdeutsch­ Kenntnisse auffrischen wollen?

Mutiger und offensiver sein. An der VHS Nordhorn gibt es Plattdeutsch-Kurse, es gibt auch verschiedene Lernhilfen und Wörterbücher. Ideen gibt es auch unter www.platt­schapp. de. Wichtig ist, die Initiative zu ergreifen. Und ich finde, schlechtes Platt ist immer noch besser als kein Platt. Ein Anfang für unsichere Plattsprecher kann es sein, sich einfach mal mit Muttersprachlern wie der Oma oder den Eltern auf Platt zu unterhalten. Denn es ist ja so: „Daun daht leern!“